Samstag, 14. März 2009

Counterstrike ist kein Cervantes!

In Nachwirkung des Amoklaufes von Winnenden kursieren im Internet zahlreiche Erklärungsversuche. Auch sogenannte "Killerspiele" stehen erneut auf der Anklagebank. Und wieder finden sich in Talkshows und Interviews die altbekannten gegensätzlichen Positionen: das bildungsbürgerliche Unverständnis über das Medium "Videospiel" und der intuitive Protest von Konsumenten, die sich einer verallgemeinernden Vorverurteilung ausgesetzt sehen. Doch, wenn Militärs virtuelle Simulationen zum Training wirklicher Kampfeinsätze verwenden, muss man zumindest von der 'Einübung von Szenarien und Bewegungsabläufen' sprechen. Der Trend zum digitalen Fotorealismus lässt die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit weiter verschwimmen. Nicht abzustreiten ist das hohe Maß an Gewalt, das in modernen Videospielen affirmiert wird.
Don Alphonso stellt in seinem Faz-Blog "Stützen der Gesellschaft" im Beitrag "Rilke, Voltaire und Amok" (12. März 2009) Videospielen ein anderes Medium, das des Buches gegenüber. Auch dort sind Schock und Skandal alte Bekannte, denkt man an Baudelaires "Les Fleurs du Mal", Gottfried Benns Gedichte oder Elfriede Jelineks "Lust". Doch während die Literatur auf eine Jahrtausend alte Tradition zurückblickt, sind Videospiele kaum ihren Anfängen erwachsen. Selbst, wenn der digitalen Präsentation eines "BioSchock" oder "World of Warcraft" eine gewisse Ästhetik zumessen werden kann, bleiben sie ganz im Unterhaltungswert verhaftet. Hat das Medium also sein Potential nur noch nicht entdeckt? Schränkt die Verpflichtung zur Interaktivität die Möglichkeiten künstlerischer Komposition zu sehr ein? Die Lösung ist einfacher und lässt den Vergleich hinken: Letztendlich sind Videospiele allein der kommerziellen Ausrichtung einer schnelllebigen Industrie unterworfen. Dass dabei der Kundengeschmack nicht vernachlässigt bleibt, ergibt sich von selbst. Es ist also vielmehr zu überlegen, ob digitale Gewalt nur ventilhafter Ausdruck einer Zeit ist, in der alltägliche Gewalt nur noch durch vereinzelte Extremata - wie Amokläufe - ins Sichtbare des abgestumpften öffentlichen Bewusstseins treten.

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