Donnerstag, 22. April 2010

Erzählungen aus einem selbstgewählten Exil 1 - Eine Höhle

Atemlos kam ich an, durch den Sturm und den Regen. Mein alter Kompass in der erschöpften Hand zeigte Norden mit jedem fernen Blitz neu. "Wir haben uns verlaufen, treuer Freund", wollte ich ihm zuraunen, doch schon die erste Silbe erstarbe noch auf meinen Lippen, so als habe eine höhere Hand mit geboten zu schweigen. Welch Übel hatten meine Worte in der Heimat angerichtet, wie viele Leben beeinflusst bis meine eigene Existenz in ihren Zweideutigkeiten zu verschwinden drohte. Ja, ich floh dem Chaos der Sprache zwischen den Menschen und allem, von dem ich glaubte, das es mir - und dem ich teuer gewesen war, hinaus, fern aus an einen Ort den ich zuvor nur auf der Karte berührt hatte. Nacht wars, als ich aufsah, sprechen wollte und stumm blieb. Da erspähte ich hinter einer Anhöhe einen Berg und ein Tal und wusste, dass ich da war, obgleich es auch das Tal nebenan hätte sein können und kein besonderes Zeichen mir diese Gewissheit verriet, außer dem unausgesprochenen Wunsch, der Weg möge ein Ende haben. Aus Schutz vor der mangelnden Gnade des Wetters suchte ich eine Höhle auf, dessen Vorbesitzer vermutlich ein simples Tier gewesen war und kroch hinein um die Beine an den ausgekühlten Körper zu ziehen. "Da" hallte mein erster Gedanke noch nach, als reite er auf dem Donnern des entfernt gebliebenen Gewitters. "Da. Da. Da." Nach Monaten der Unruhe und Stunden des Suchens empfing ich voll Dankbarkeit den Schlaf, der über mich kam, um mich aus der Einsamkeit mit meinen Gedanken und Erinnerungen zu befreien.

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... am Anfang ist das Wort immer schwer. Jeder Buchstabe wiegt das Gewicht des vorgehenden Schweigens und der Leere. Schlimmer ist es noch, wenn sich kaum ein Punkt auftun will anzuknüpfen. Wie soll man auch anknüpfen an gestaltloses Chaos und schlechte Poesie? Fast vier vertane Monate sind ins Land gegangen, ein Monat erstickender Stille. Wie gern wär ich ein Mensch der seine festen Ziele seit frühester Jugend verfolgt; ein wenig stur, etwas eindimensional, zufrieden. "Gibt es einen Himmel für ungehörte Schreie?", sang einst Tory Amos in den späten Neunzigern. Ich habe ihn nicht gefunden, aber der atemlos aufgekratze Unterton erinnert mich an jene Unausgewogenheit der hinter mir liegenden Zweifel, deren Wiederaufleben ich um jeden Preis vermeiden will. Ich bestreite mein Leben in Fürth für eine Weile, in Regelmäßigkeit, in Arbeit, allein. Nur die wenigen Telefonate halten mich über Wasser. Aber die offensichtliche Oberfläche muss langweilen. Ich verwerfe die Ansätze des Wirklichen. Es ist höchste Zeit für eine Fiktion ...