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Montag, 9. November 2009

Morbus Kitahara

Es ist der 9. November, ein historisches Datum für Deutschland, ohne Frage. Es gibt immer viel zu erinnern in diesem Land. Man feiert in Berlin den Mauerfall. Der Zeitgeist steht mit in allen Reihen; Thomas Gottschalk moderiert vor vollen Straßen eine Inszenierung von Massenwirksamkeit und Symbolik. Bemalte 'Mauersteine' formen eine riesenhafte Dominoreihe zum Brandenburger Tor. Die Akteure von Damals warten sie anzustoßen. Selbst die sonst so hektischen Kameras geben sich ergriffen und verbleiben lieber auf Menge. Vereinzelt sieht man Feuerzeuge. Deutschland flirtet mit dem Nationalgefühl - und jeder rollt es an diesem Tag gern über die Zunge, dieses Wort, die Bundeskanzlerin gar häufig in ihrer Rede, das flügeltragende Wort, das Große :
Stammt es aus Frankreich?
Stammt es aus Amerika?
Wer hat es sonst noch gerollt auf den Zungen und zu welchem Takt?
Bemüht betont man freilich, dass am 9. November noch anderes passiert sei, Unbequemes, Schreckliches, damals halt. Das will nicht passen zum Tag des Mauerfalls wie zu keinem. Und so wird sie halt genannt, dieReichskristallnacht schnellerwähntdannhatmandasauch. Und vorgestern fand man Parolen auf Synagogen ,wie passend. Da, wo die Löhne so niedrig sind. Wie Graffiti sahen die aus, wie das Graffiti auf den Dominosteinen.
Ach sie fallen jetzt. Die Mauer fällt.
Die Mauer fällt,
lasst uns schnell hinsehen.

Sonntag, 27. September 2009

Alle Jahre wieder (2009)

Alle Jahre wieder ist es soweit. Die Karten werden neu gemischt und alle Sünden vergeben. plebs dixit, das Volk hat gesprochen - Zeit für ein kurzes Fazit. Erst mal die blanken Zahlen: CDU 33.9%, SPD 23.0%, FDP 14.6%, Linke 11.9%, 10.7% - rekordverdächtig, insbesondere der Tiefstand von CDU und SPD, den ehemals großen Volksparteien. Regelrecht abgestraft wurden die Sozialdemokraten mit 11,3 Prozentpunkten Verlust zur Wahl 2005. Historisch ist die Wahl in Bezug auf die demokratische Struktur zu nennen, da sich mit der Linken eine fünfte Partei etabliert hat. Der Sieger steht fest, ist Gelb und strahlte mit triumphalem Lächeln in der obligatorischen Elefantenrunde alle anderen an die Wand. Warum die Deutschen in der systemgeschuldeten Finanzkriese ausgerechnet die Liberalen gestärkt haben, bleibt vielleicht das Rätsel des Abends. Katastrophal jedoch ist eine andere Zahl, nämlich die der Nichtwähler, satte 27,5%. Über ein Viertel der Bürger wurden vom matten Wahlkampf nicht erreicht oder zogen es vor der Demokratie ihre Stimme zu enthalten. So ist das Ergebnis der Wahl auch zu lesen als Vertrauensverlust aller Parteien (pikant in diesem Zusammenhang, dass ausgerechnet Guido Westerwelle noch am Abend auf journalistische Nachfrage bekanntgab kämpferisch formulierte Wahlversprechen in Koalitionsgesprächen zu "verhandeln"). Ein eher geschmackloser Werbespot auf Kabel 1 gab der Wahlverdrossenheit in den letzten Tagen sogar einen eigenen Slogan: "Nichts für sie dabei?" Man mag es nun glauben.

Mittwoch, 24. Juni 2009

Iran und die Demokratie

Hoffnung und Erwartung internationaler Medien stimmten noch vor einem Monat überein, dass Mir Hussein Mussawi Präsident der Republik Iran werden könne. Nach dem 12. Juni und den deutlichen 62,6 zu 33,8% aller Stimmen blieben nur Reaktionen gelähmter Ratlosigkeit. In Blogs und Foren traute man Mahmud Ahmadinedschad, den Ayatollahs, ja "den Iranern" im Allgemeinen, alles zu. Was weiß man nicht alles über das fundamentalistisch repressive System von CNN, über unterdrückte Weiblichkeit aus Persepolis, über eine Gesellschaft in Erstarrung aus Nasser Refaies "Sobhi Digar"? Doch dann begannen die Demonstrationen, zogen von den Straßen über Mattscheiben, Sendemasten und virtuelle sozialen Tummelplätze hinein in das Bewusstsein europäischer Öffentlichkeit. Ein neues Iranbild lässt sich erahnen, das Bild eines Landes im Kampf auf der Straße. Und der Europäer, der Amerikaner, der Weltbürger demonstriert mit, ist mit dem Herzen dabei, in Teheran, live dabei direkt neben Neda Soltani und hält buntbemalte Transparente trotzig den Wahlbetrügern, den Unterdrückern, entgegen (im Kopfkino und ganz ohne Riskiko, versteht sich). Ja, im Iran weht der Wind junger Demokratie mit Inhalten, Zielen, Werten und mit einem klaren "gegen". Erst Obama, dann der Iran, dann die ganze Welt? Gemach! Der Wächterrat wäre auch bei einem Machtwechsel unangetastet geblieben. Die Verflechtung von Politik und Religion, wird (eine blutige Revolution ausgenommen) auch in Zukunft den Iran bestimmen. Vielleicht ist das einzige, was sich ändern wird, die Fremdwahrnehmung des Landes. Doch auch dies ist in jedem Fall zu Begrüßen.

Sonntag, 7. Juni 2009

Stille

Gänsehaut erfasst mich, als ich Elie Wiesels Rede lese, gehalten vor Barack Obama in Buchenwald. Der Ort an dem der Vater starb. Vielleicht der Ort an dem unser aller Vater starb. Celan drängt sich wieder empor. Der Tod ist ein Meister aus Deutschland, das ist unbestritten. In klaren Worten redet Wiesel über Ihn, über Ungerechtigkeit, Krieg und Verantwortung. Seine Sprache berührt, spricht Gedanken aus, die mehr sind als die Gedanken eines einzelnen, so als klängen die Toten selbst in ihnen mit.
"Die Zeit ist doch gekommen. Es reicht doch. Es reicht. Wir wollen nicht mehr auf Friedhöfe gehen. Es reicht. Es gibt genug Waisen, es gibt genug Opfer."
Die gibt es. Kambodscha, Ruanda, Dafur, Bosnien. Und täglich kommen mehr dazu. Hoffnungsvoll aber mahnend endet die Rede vor dem neuen Präsidenten der Hoffnung. Doch die entscheidende Frage hat Wiesel schon in ihrer Mitte gestellt.
Wird die Welt je lernen?
Wird der Mensch je lernen? Ich denke nicht, dass Wiesel das denkt. Ich denke nicht, dass Obama das denkt und auch ich denke das nicht. Die unausgesprochene Antwort auf diese Frage wird zu einer bleibenden, unangenehmen Stille ...

Wahltag

Es ist irgendwann im Juni. Der Tag der Europawahl. Der Tag an dem die Demokratie sich demokratisch gibt. Der Tag an dem wir alle Deutschland sind und Europa sein sollten. Schon Wochen davor warben plumpe Fernsehspots und die obligatorische Zettelflut verhalten für die eigene, umso deutlicher gegen alle anderen Parteien. Medienpräsenz nach amerikanischem Vorbild sucht man vergebens und stößt allenfalls auf einen altbackenen "Wahl-O-Mat", der höchstens Hausfrauen ab vierzig vom Hocker reißt. Östlich des großen Teiches haben Begeisterung und Leidenschaft im Wahlkampf offenbar nichts verloren. So bleibt die Wahl bürokratischer Pflichtgang, den man pünktlich zwischen dörfischer Sonntagsmesse und Mittagstisch im Stammlokal erledigt. In weltmännischen Sonntagsanzug schwingt manch einer dann große Worte bevor er zugibt, doch gewählt zu haben, was man immer schon wählte und auch die Eltern noch wählten. Und dann wird Spargel gegessen und über Sport geredet und Bier getrunken mittags um eins.
Vielleicht sollte man dankbar sein, dass Bürger überhaupt den Weg in die Wahllokale und an die Wahlzettel finden. Über drei Seiten ist dieser diesmal lang und zeugt - insbesondere in Bereich der kleineren Parteien - von politischer Orientierungslosigkeit zwischen spirituellem Mumpitz und hippem Spaßprotest. Die Wahlbeteiligung wird eigene und noch deutlichere Worte sprechen. Die Parteien sehen das eher gelassen und werten die Prozentpunkte am Ende als Stimmungsbarometer für die kommende Bundestagswahl. Internationale Verantwortung beugt sich unter nationales Machtgehabe und am Ende scheint Europa nicht mehr als ein diplomatisches Spiel inmitten der Krise. Kopfschüttelnd mache ich mein eigenes Kreuz in der grauen Wahlkabine. Wie jeder an diesem Tag entscheide ich mich für ein Leid von vielen in Zeiten der Cholera.

Donnerstag, 12. Februar 2009

Wachsamen Auges ins Ungewisse

"Die Wirtschaftskrise in der Euro-Zone eskaliert: Die Industrieproduktion ist Ende 2008 so stark eingebrochen wie nie zuvor - die EU-Kommission zeigt sich bestürzt vom Ausmaß und Tempo der Verschlechterung. Volkswirte erwarten nun neue Absatzeinbrüche und Stellenabbau." (Spiegel-Online, Artikel http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,607219,00.html, 12. Februar 2009)

Wieder sind die sogenannten 'Experten der Finanzwelt' erstaunt über den Unterschied von Wirklichkeit und Erwartung. Doch auch der kritische Betrachter muss zugeben, dass die Lehrbücher schon längst keine Antworten mehr liefern. Die Wirtschaftskriese, dieses aus - systematischer Verantwortungslosigkeit geborene und in den Medien getaufte - Monstrum wächst noch immer. Dankbarerweise halten sich all die Weisen, welche noch im Juli 08 den Ernst der Lage nicht wahrhaben wollen nun bedeckt und auch führende deutsche Bankmanager haben verstanden, dass bei der aktuellen Stimmung turbokapitalistische Töne eher unangebracht sind. Doch der Verzicht auf Prämien und Bonuszahlungen (z.B. der deutschen Bank) ist nicht mehr als eine symbolische Geste, wo schon die bisherigen Konjunkturpakete kaum Auswirkungen zeigten. Proteste gegen den massiven Staatseingriff scheinen verstummt. Namhafte Medien zitieren zwar ab und an die hübsche Abkürzung "Stamokap" und kritisieren vorsichtig den auflebenden Protektionismus, doch immer nur im Nachbarland und nicht mehr ganz so beherzt, wie man könnte, wenn man wollte.
Nein, diese Wirtschaftskriese ist in eine Phase lähmenden Entsetzens eingetreten, ohne sich ihres vollen ausmaßen bisher bewusst zu sein; die Ahnung genügt. Und auch die Pleiten namhafter Firmen wie Schiesser oder Mäklin lassen einzig die Frage übrig, wen es als nächsten trifft. Die Arbeitslosigkeit steigt, die Perspektiven schwinden. Die meisten Firmen spielen auf Zeit und bangen, dass die 820000000000 Dollar von Obamas Konjunkturstütze nicht ausreichen, den richtigen Impuls zu geben.
In China wartet zudem schon die nächste Blase, durch überbewertete Wirtschaft und massive Kreditvergabe. Nein, die Zeiten sind nicht gut, doch sie sind noch immer weit besser als '33 oder '13. Vielleicht sollten wir, als wohlstandsverwönte Mitteleuropäer, auch dies nicht vergessen und bedenken, dass jede Zeit der Kriese schon immer eine Chance für Extreme bot. Bleiben wir gemeinsam wachsam.

Sonntag, 18. Januar 2009

Kriegsübelkeit

Eigentlich wollte ich nicht, dass dieses Blog eine politische Note bekommt. Keine politische Stellung zu beziehen ist (wohlweißlich) unverfänglich und bequem. Doch, wenn ich dieser Tage Nachrichten lese, wird mir regelmäßig schlecht. Machen wir's kurz, es geht natürlich um Israels sogenannten "Krieg gegen die Hamas". Welche Beruhigung verspricht angesichts solcher Themen doch die geistig und zeitliche Beschäftigung mit der kriselnden Lage, des deutschen Geldes, den politischen Querelen in Hessen, den realen und allzu nahen Problemen des eigenen Alltags. Wie angenehm kann man sein Gewissen beschwichtigen, wenn man bedenkt, dass neben der Bundeskanzlerin auch der neue Hoffnungsträger Barak Obama eindeutig für Israels Sicht der Dinge plädiert. Wie nützlich ist es auf einmal, auf die sonst so unliebsame "Schulddebatte" zu verweisen und sich über deutsche Kritik an israelischen Militäroperationen zu echauffieren. Wie elegant kann man sich letztlich aus der Affäre ziehen, indem man die Möglichkeit auf Information als Grundlage zur eigenen Meinungsbildung in Zeiten eines modernen Medienkrieges per se bezweifelt. Ja, auch in Afrika sterben Menschen. Vielleicht hat man dort sogar ein Patenkind und auch Geld für einen Brunnen gespendet. Zu Weihnachten war man auch in der Kirche. Schließlich kann man sich ja nicht um alles kümmern. Dann müsste man ja gleich auf die Straße gehen. Wie soll man denn da leben? Die anderen machen doch auch nichts...

Doch jeder Blick in die Tageszeitungen erinnert, dass in Israel Menschen sterben: Israelische Zivilisten, Israelische Soldaten, palästinensische Männer, Frauen und Kinder. In Zeiten eines "war against terror" scheint es zudem einfacher geworden, jeder tote Säugling nachträglich als Kollateralschaden einer ungenauen, unsauberen aber angeblich notwendigen Kriegsführung zu deklarieren und jede Form von unmäßiger Gewalt und Grausamkeit mit Gegenbeispielen der "anderen Seite" zu rechtfertigen. "Auge um Auge", Rakete um Rakete. Seltsam wirklichkreisresistent scheint noch immer die Vorstellung eines sauberen Krieges, die Willigkeit zu Parolen von der "Verteidigung westlicher Werte". Doch Israels Feind ist kein oft zitierter Terroristenstaat auf dem Weg zur Atombombe, sondern ein als Geisel genommenes Volk vor einer humanitären Katastrophe, bewusst provoziert von einer mit westlichen Waffen ausgestatteten israelischen Militärmaschine. Europa hingegen muss sich den Vorwurf gefallen lassen, absehbar unwirksame Resolutionen verabschiedet zu haben während Israel weiterhin notwendige humanitäre Hilfe blockierte, gekennzeichnete UN-Laster und die UN-Fakhura-Schule im Jabaliya-Flüchtlingslager beschoss. Je mehr man über diesen Krieg weiß, desto wahnwitziger erscheinen einem zwangsläufig seine Idee, seine Ausführung und seine Macher. Man kann nur dankbar sein, dass die westlichen Medien beginnen dem Leid der Opfer mehr Gewicht zuzugestehen und öffentlichen Druck auf die Kriegsparteien auszubauen. Dass die lang ersehnte Waffenpause gerade in jener Phase ausgerufen wird, in der die Bilder sterbender Kinder auch in israelischen Medien zunehmen, wird nur allzu verständlich durch die dort anstehenden Wahlen. Doch auf welche Weise die nun anlaufende politische Bewertung des Krieges auch ausfallen mag, einige Dinge können als nahezu sicher angenommen werden und tragen darin enorm zu meiner Übelkeit bei:

- Die Leidtragenden sind, wie immer, Zivilisten.
- Die Hamas wurde nicht vernichtet.
- Ehud Barak wird die Wahl gewinnen.
- Eine diplomatische Lösung ist ein weiteres Mal deutlich erschwert worden.
- Begangene Kriegsverbrechen werden weitgehend ungeahndet bleiben.

Freitag, 12. Dezember 2008

Toilettenschmutz

Wenn ich über die Sanitären Anlagen der Universität Bonn rede, bin ich ja vieles gewöhnt. Mit Edding an Wände zu schmieren scheint eine gern verübte Freizeitbeschäftigung zwischen Seminaren zu sein. Natürlich sind Teile der Anlagen auch öffentlich zugänglich, doch 'Mitteilungen' wie "Studiengebühren gehören abgeschafft!" oder "Nazis Raus!" scheinen mir nicht die Theorie von Fremdbeschmutzung zu erfordern. Heute aber erreichte der 'Schmier' eine neue Dimension, nämlich die der Integrationspolitik. Zu lesen war "Deutsche raus aus Deutschland!", "Shaira als Grundgesetz!", "Tötet alle Schweinefresser!" und "Christen sind Söhne von Schweinen und Hühnern." Neben der Menge der Einzeiler (fast die ganze Wand war so beschrieben) waren auch die wenigen 'Antworten' darunter nicht besser. "Verpisst euch aus Deutschland!" und "Ihr gehört abgeschoben!" ließen im Zusammenspiel mehr als nur Unbehagen in mir aufsteigen. Ohne es nur an solchen Schmiergefechten festzumachen, habe ich das Gefühl, das etwas in integrativer Hinsicht in diesem Land falsch läuft. Eine nach "Abschiebung" schreiende Leitkultur wäre aber keine Antwort, sondern eine Katastrophe, bei der Celan sich im Grabe umdrehte. Mir bleiben einige Fragen zurück: Wird sich dieses Spannungsverhältnis mit zunehmender Finanzkriese verschlimmern? Wo lässt man einen Dialog beginnen? Warum reizen saubere Toilettenwände eigentlich als Forum für politische Statements oder sonstigen Gehirnabfall?

Ich habe letztens Steffi gefragt, wie das bei den Mädels aussieht. Die Antwort gab mir dann nocheinmal zu denken. Ich zitiere: "Die Wände sind eigentlich wenig beschmiert. Wenn, dann stehen dort ernstere Fragen wie 'Wie merke ich, dass mein Freund mich liebt?' oder 'Ich bin schwanger. Soll ich abtreiben?', zum Teil mit betroffenen Antworten."