Sonntag, 7. Juni 2009

Wahltag

Es ist irgendwann im Juni. Der Tag der Europawahl. Der Tag an dem die Demokratie sich demokratisch gibt. Der Tag an dem wir alle Deutschland sind und Europa sein sollten. Schon Wochen davor warben plumpe Fernsehspots und die obligatorische Zettelflut verhalten für die eigene, umso deutlicher gegen alle anderen Parteien. Medienpräsenz nach amerikanischem Vorbild sucht man vergebens und stößt allenfalls auf einen altbackenen "Wahl-O-Mat", der höchstens Hausfrauen ab vierzig vom Hocker reißt. Östlich des großen Teiches haben Begeisterung und Leidenschaft im Wahlkampf offenbar nichts verloren. So bleibt die Wahl bürokratischer Pflichtgang, den man pünktlich zwischen dörfischer Sonntagsmesse und Mittagstisch im Stammlokal erledigt. In weltmännischen Sonntagsanzug schwingt manch einer dann große Worte bevor er zugibt, doch gewählt zu haben, was man immer schon wählte und auch die Eltern noch wählten. Und dann wird Spargel gegessen und über Sport geredet und Bier getrunken mittags um eins.
Vielleicht sollte man dankbar sein, dass Bürger überhaupt den Weg in die Wahllokale und an die Wahlzettel finden. Über drei Seiten ist dieser diesmal lang und zeugt - insbesondere in Bereich der kleineren Parteien - von politischer Orientierungslosigkeit zwischen spirituellem Mumpitz und hippem Spaßprotest. Die Wahlbeteiligung wird eigene und noch deutlichere Worte sprechen. Die Parteien sehen das eher gelassen und werten die Prozentpunkte am Ende als Stimmungsbarometer für die kommende Bundestagswahl. Internationale Verantwortung beugt sich unter nationales Machtgehabe und am Ende scheint Europa nicht mehr als ein diplomatisches Spiel inmitten der Krise. Kopfschüttelnd mache ich mein eigenes Kreuz in der grauen Wahlkabine. Wie jeder an diesem Tag entscheide ich mich für ein Leid von vielen in Zeiten der Cholera.

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