Dienstag, 26. Mai 2009

Der Preis des ewig Neuen

Manche Menschen gehen durch den Supermarkt und fixieren die Tinte auf ihrem Einkaufszettel um alles, aber nur nicht verleitet zu werden. Andere Menschen wollen gerade dies, verleitet werden und suchen in den Reihen und Regalen nach dem Neuen, dem Unbekannten. Kann ein Einkauf nicht auch ein Abenteuer sein, der Supermarkt ein Dschungel voller Möglichkeiten? Wie groß ist die Freude zwischen Altbekanntem auf ein Etikett zu stoßen, das vollmundig einen neuen Geschmack, eine neue Erfahrung verspricht. Wegweiser wie "Neu" oder "Limitiert" sind nicht immer leicht durchschaubare Strategien der Werbeinsdustrie sondern diesen Menschen wertvolle Helfer und entlocken ihnen manches Mal Töne der überraschten Begeisterung. Kehrt der moderne Sammler und Jäger heim, wird der Schatz stolz gezeigt, im Kühlschrank exponiert drapiert und einige Zeit spannungssteigernd gelagert, bis der erlösende Moment des Ausprobierens naht. Ernüchterung folgt meist und das Spiel beginnt von neuem; doch welch Triumph zwischen all den Nieten tatsächlich etwas zu finden, was den Finder entlohnt! Irgendwo gibt es sie, diese Leitwölfe der Konsumwelt, diese Produkt Scouts, diese "Neu"junkies diese möchtegern Gourmets. Verkannt von ihrer Umwelt ist der Preis den sie zahlen oft nicht gering und stoßen auf der Suche nach den Grenzen der Produktpaletten meist weit eher auf die biologischen Grenzen des menschlichen Magens.
Einer von ihnen wirft nun das Handtuch und zieht reduziert auf Zwieback und Tee seine Bilanz: Eiscreme mit Splittern weißer Schokolade, Met im Portionsverpacktem Töpfchen, Apfel-Zwiebel Leberwurst, Gyros-Chips, Sportdrinks mit Kaffee Flavour, Chaisirup und Sojamilch ... war es das wirklich wert? Reicht die Erinnerung an all die kleinen Sensationen aus um nun die bittere Pille zu schlucken? Vielleicht tun sie das. Vielleicht ist eine Pause nötig um zu reflektieren und zu sortieren wie Grenouille in einsamer Höhle. Und vielleicht findet sich in der Erinnerung doch der Geschmack der alle anderen in den Schatten stellt und der bei der Hast nach dem ewig Neuen zu vorschnell auf der Strecke blieb...

Dienstag, 19. Mai 2009

La Lic

Disco. Mit einem gewissen Ruf. Wir fahren nach Köln hinein. Ich trage schwarz und ein rotes Hemd. Es ist zu hell für den Abend. Man merkt den kommenden Sommer. In den Bars und Lokalen sitzt man draußen. Laute flirten und scherzen. Jeder Stuhl ist besetzt, wie in einer wirklichen Stadt. Wir gehen die Straßen hinunter. und ich übersehe fast den Eingang. Er ist klein, wenig vielversprechend und noch geschlossen. Während wir vor dem Schaufenster einer Gothicboutique warten, fülle ich einen Mitgliedsantrag eines Raucherclubs aus. Ich habe kein Interesse an der ‚Wertschätzung des Tabakgenusses‘ und denke an Lungenkrebs. Als sich die Türen öffnen, setze ich trotz meines Widerwillens die Unterschrift. Ein kindlich wirkender Türsteher schaut entschuldigend und händigt uns Biermarken aus. Die Treppe führt erwartungsgemäß hinab. Der Raum ist verwinkelt, die Tanzfläche von überall gut sichtbar. Schon am Mischpult vibriert mein Magen mit den dumpfen Basstönen. Die Theke ist unten und hat den Charme einer schlecht gehenden Eckkneipe. Wir sind die ersten Besucher und die Wirtin hat noch Familie da. Ich bestelle ein paar Wodka-Kirsch. Viel Auswahl gibt es nicht. Auf einer Leinwand laufen Trashfilme.; immerhin eine nette Idee. Nach und nach füllt es sich. Die Mädels Tanzen zuerst, ich beäuge die anderen Anwesenden. Da ist der androgyne Stammgast, der sich kaum zu bewegen scheint und nur selten an seinem Glas nippt. Da ist der übergroße Blasse, dessen dürre Glieder im extralangen Ledermantel verschwinden. Da sind die zwei Frauen, deren Blicke wohl etwas mehr als bloß Unterhaltung Suchen diese Nacht. Auf der Tanzfläche tut sich derweil wenig. Der DJ wagt Stilsprünge zwischen Punk, Rock, Metal und Darkwave. An seiner Liederwunschliste steht man schon an; ein schlechtes Zeichen. Auch ich trage etwas ein, bevor ich mich zu Industrial ins Scheinwerferlicht begebe. Künstlicher Rauch hüllt mich ein. Für einen kurzen Moment vergesse ich den Tag. Schweiß, Alkohol, Musik, Rauch. Disco.