Donnerstag, 1. Juli 2010

Der Fall Hegemann, neu abgemischt

Zitatmix ein:
Über keinen Debütroman der letzten Jahre wurde so viel geschrieben, wie über Axolotl Roadkill von Helene Hegemann. Fassen wir kurz zusammen: die damals sechzehnjährige Jungautorin schrieb einen sprachlich wütenden, teilweise unlesbaren Roman über Drogen, Sex und Jugendrevolte. „Das Feuilleton“, offenkundig genervt von hipromantischer Jugendliteratur á la Stephanie Meier und co. reagierte begeistert und jubelte den Text zum besten Literaturereignis der Nullerjahre. Ein Richtiger Hype entstand und alle sprangen an und auf.

Fallen Angel, Superstar.

»Es geht um meine Wahnvorstellungen. Unfassbar, wie ich mich hier schon wieder auf cognacfarbenen 9‐cm‐Absätzen dem ganzen Scheiß aussetze, Industriegebiet natürlich, von weitem sieht man ein ehemaliges Heizkraftwerk, in dem es sich spätestens in einer halben Stunde diesem Zwang zur Selbstvergessenheit auszusetzen gilt. Ich bewältige einen von Neonröhren umzäunten Weg, der als der geilste der Welt gilt und mich aus einem mir unerfindlichen Grund nie interessiert hat. Ich finde meine dissoziative Identitätsstörung interessanter als alles, was diese Stadt mir ununterbrochen ins Gesicht kotz. «

Man mochte diese freche Textsause einfach: sie roch nach Feuchtgebieten, Faserlanden und den Kindern vom Bahnhof Zoo, nur authentischer, kaputter, intensiver, irgendwie. Hegemann war über Nacht zur neuen radikalen Stimme der deutschen Literatur geworden. Schon wurde das junge Genie für den Leipziger Buchpreis vorgedacht, da meldete sich ein Blogger zu Wort – ein Teilnehmer jenes investigativen Web 2.0 das alle gerne tot reden ‐ und führte den schwersten denkbaren Vorwurf ins Feld: Plagiatismus (nachzulesen auf www.gefuehlskonserve.de). Strobo heißt das weitgehend unbekannte Buch des Berliner Autors Airen, aus dessen Textvolumen ganze Passagen übernommen wurden:

Axolotl Roadkill: »Ich habe Fieber, Koordinantionsschwierigkeiten, ein Promille im überhitzten Blut…«
Strobo: »Ich habe ein Grad Fieber sowie ein knappes Promill Alkohol im überhitzten Blut. «

Dann ging alles ganz schnell. Das Wunderkind hatte abgeschrieben (wie gemein von ihr!) und alle waren sie darauf reingefallen. Hass, Häme und Verachtung für die Autorin und ihr Werk nahmen beschämende Ausmaße an und besorgte Zeitungsredaktionen forderten von den Feuilletonisten kollektiven Widerruf ihrer Lobeshymnen. Stets mit dabei: die allgegenwärtige Doppelmoral, frei nach dem Motto: ‚Man darf sich nur nicht erwischen lassen! ‘. Stattdessen suchte man Trost bei den wenigen kritischen Stimmen, die es ja gleich gewusst haben wollten ‐ z.B. Simone Meier (bazonline.ch) ‐ und wertete das vorher so lobenswerte Wortgewitter zu altkluger Phrasendrescherei herab. Hegemanns Verteidigung in einer eilig verfassten Pressemitteilung heizt die entstehende Debatte nur noch mehr an: »Originalität gibt's sowieso nicht, nur Echtheit.« Da schwingt etwas Halbdurchgedachtes vom Tod des Autors mit, Julia Kristewa und die Intertextualität lassen grüßen. Die Anfeinder spürten derweil selbstbewusst Buchbestellungen der Autorin über Amazon nach und erstellen Listen mit verdächtigen Textpassagen. Daneben verkündeten dauerkritische Weltverbesserer nun ungeniert, dass es Hegemann einfach an Anstand fehle und ihre Themen ja überhaupt in Jugendliteratur nichts zu suchen hätten. Zurück zu Harry Potter bitte, der zaubert so schön. Selbst Bild Online titelte fassungslos »Warum hat die junge Autorin so viel abgeschrieben?«. Es klingt nach bieder‐bürgerlicher Empörung über abgekupferte Hausaufgaben.

Authentizitätsfalle: Lebendigkeit.
Letztlich muss man sich aber fragen, was hinter dem glühenden Eifer steht, mit dem jetzt unter dem Banner der Empörung zurückgerudert wird. Es steckt mehr dahinter, als nur der übliche Widerstand gegen einen weiteren Hype zurzeit kultureller Eintagsfliegerei. Zu einfach wäre es, den schamlosen Wutriraden an der Peripherie des Kulturbetriebes, schnöden Neid zu unterstellen. Natürlich hat Hegemann allein durch die berechenbare Aura des „Wunderkindes“ eine größere Reichweite als der anonyme Airen; auch über ihren Vater Carl Hegemann, seinerseits Theaterschaffender und Professor für Dramaturgie, eine bessere Startposition samt Zugang zu Verlagen wie Ullstein. Dabei ist Vitamin B in der Literaturszene nichts Ungewöhnliches; wir sind weit entfernt von gleichen Startchancen ‐ so what. Stattdessen sollte man herauszustellen, was die Literaturszene in Axolotl Roadkill zu finden glaubte:

»Demnächst werde ich irgendjemandem mutwillig fünfzig Löcher in die Lungengegend schießen, um den Rest meines Lebens im Gefängnis verbringen zu dürfen und um dann endlich kein Teil dieser Gesellschaft mehr sein zu müssen, in der man zu nichts anderem mehr verpflichtet ist als zu dieser ständigen Verantwortung für sein eigenes Ansehen.«

Die Sechzehnjährigen Mifti führt ein unangepasstes Leben, das der bürgerlichen Gesellschaft eine klare Absage erteilt. Eben Kritik von einer Außenseiterposition. Dazu kommen die auffallenden autobiographischen Parallelen (Alter, Schulprobleme, Soziales Umfeld, Vater als Kunstschaffender) und die unangepassten Themen um Kindesmisshandlung, Miftis Liebe zur älteren Alice, hartem Sex, Drogen und Gewalt und die alles thematisierende, nichts aussparende, Krassheit suchende Sprache:

»Stahl. Wodkapfützen, Körperteile, Münder, Haare, Schweiß, Leberflecken in Achselhöhlen, auf dem Oberarm einer PR‐Volontärin tätowierte deutsche Jagdterrier, rohes Fleisch und Stroboskoplicht. «

All das vermittelt eine Coming‐of‐Age‐Ahnung von Lebendigkeit am Rande des Abgrunds, von Authentizität, von echten Gefühlen, echten Problemen, fernab aller alltäglich unerträglichen Talkshows am Nachmittag. Hegemann schrieb dem verblödungsfrustrierten Kritiker quasi in Form und Inhalt aus der Seele. Endlich mal nicht die Wohlstandsgesellschaft, die Angst vor Terrorismus oder dem Überwachungsstaat oder die Vogelgrippe. Aber authentisch ist der Roman eben nicht ‐ Hegemann hat viele der beschriebenen Dinge nicht erlebt, sondern erfunden, recherchiert, abgeschrieben. Ist der Roman deshalb plötzlich schlechter, nur weil er die utopische Sehnsucht des Medienzeitalters nach wahrer Echtheit in letzter Konsequenz nicht befriedigt?
Dann ist da noch der Hype. Nach einem literarisch weitgehend unauffälligen Jahrzehnt war die Zeit einfach reif für einen Superstar. Die Parallelen zu Benjamin Leberts Crazy von vor dem Milennium sind überdeutlich. In Verbindung mit der vermeintlichen Authentizität beschwor man nur allzu gern den alten Geniebegriff des Sturm und Drangs. Auch damals in Weimar hat man kein Blatt vor den Mund genommen, keine Konventionen und keine Autoritäten geduldet, über Dreckiges und Unerhörtes gedichtet. Doch Goethe, Lenz und co. haben dem Zitat misstraut! Ihre Vorstellung des Genies, letztlich auch der moderne Begriff des Künstler/Autors ist noch immer verbunden mit der Idee der originären Schöpfung. Entlarvte freche Collagistinnen unter Plagiatsverdacht wollen da einfach nicht mehr ins Bild passen. Schnell wird also der selbst inthronisierte Genius gestürzt im Versuch die eigene Glaubwürdigkeit zu retten. Eine ambitionierte Autorin weniger, das kann man verkraften. Kommentar [AG3]: ästhetische Urteil über dem Vorwurf des PlagiatsIndirekt geschieht das andir auch. Der Roman samtnur im Ansehen gefallensich einer völlig legitimenhat: der Textmontage! sollte man ästhetisches Urheberrechtsverletzungtrennen.

Wider den Empörern!
Der Skandal ist natürlich Publicity, selbst für den unbekannten Airen und sein Strobo. Hegemanns Zitierweise jedoch ist sicher kein Zufall. Viel mehr beweist sie, dass die Autorin trotz aller Unkenrufe am Puls der Zeit denkt. Keine Verlagslandschaft ist so kreuzbieder und regeltreu wie die deutsche; keine westliche Kultur hadert so mit der Piratenpartei und modernen Sampling‐Praktiken. Das Internet nach Copyrightsündern durchfräsende Anwaltsheere sind schon jetzt an der Tagesordnung. Es geht schlichtweg um Geld, langsam wegbrechende wirtschaftliche Konventionen eines im Zeitalter von Google.Books wankenden Rechtes. Dabei wirft die Debatte um Axolotl Roadkill nichts weniger pathetisches auf, als die Frage, was Literatur heute dürfen soll. Wieviele prägnante Phrasen, wie viele Wörter eines Satzes müssen mit einer Vorlage übereinstimmen um Plagiat zu sein? Schon Hegemanns Erzähltechnik lässt dabei Zitate einfach einfließen, lebt vom Bezug und dem chaotischen Spiel mit Text und Kontext.

»‚Ist das von dir?‘ ‚Berlin is here to mix everything with everything, Alter? Ich bediene mich überall, wo ich Inspiration finde und beflügelt werde, Mifti. Filme, Musik, Bücher, Gemälde, Wurstlyrik, Fotos, Gespräche, Träume […] weil meine Arbeit und mein Diebstahl authentisch werden, sobald etwas meine Seele berührt. Es ist egal, woher ich die Dinge nehme, wichtig ist, wohin ich sie trage. «

Es klingt nach dem Kunstverständnis einer neuen Generation. Der Text könnte eine Vorreiterrolle einnehmen, doch Verlag und Autorin geben dem öffentlichen Druck bereits klein bei, verfassen Statements und kaufen Rechte nach. Die ‚Szene‘ hat sich längst distanziert. Da waren wir schon mal weiter mit der Progressivität: bei Duchamps Toiletten im Museum, bei Schwitters, bei Dada. Schade, eigentlich. Wer aber lernen möchte, wie man narrensicher ins Feuilleton kommt, sollte sich von dieser jungen Autorin eine Scheibe abschneiden. Selbst ihre YouTube‐Präsenz – Kinder die in einer Altbauwohnung altklug über Koks reden ‐ ist großes Kino, konstant provokant mit einer selbstbewussten Prise Ironie. So auch ihr Auftritt bei Harald Schmitt:

»Schmidt: ‚Du schreibst in deinem Buch, Technokultur, das geht gar nicht. ‘ […]
Hegemann: ‚Das ist wahrscheinlich nicht von mir, deshalb kann ich mich daran nicht erinnern. ‘“

Respekt dafür, immerhin.

Zitatmix aus.

Ich danke:
‐ Volker Weidermann, Faz.de
‐ lebenimzitat.de
‐ Spaghettimonster, lebenimzitat.de
‐ René, lebenimzitar.de
‐ Airen, Interview auf Faz.de
‐ GrandCru, lebenimzitat.de
‐ Syrasi, autorenforum.montsegur.de
‐ Helene Hegemann
‐ Gérard Genette
‐ Charlotte Roche
‐ Christian Kracht
‐ Benjamin Lebert
‐ Harald Schmidt
‐ Marilyn Manson
‐ allen Dadaisten
‐ RTL
‐ RTL II
‐ dem Internet
‐ und der französischen Revolution

Donnerstag, 22. April 2010

Erzählungen aus einem selbstgewählten Exil 1 - Eine Höhle

Atemlos kam ich an, durch den Sturm und den Regen. Mein alter Kompass in der erschöpften Hand zeigte Norden mit jedem fernen Blitz neu. "Wir haben uns verlaufen, treuer Freund", wollte ich ihm zuraunen, doch schon die erste Silbe erstarbe noch auf meinen Lippen, so als habe eine höhere Hand mit geboten zu schweigen. Welch Übel hatten meine Worte in der Heimat angerichtet, wie viele Leben beeinflusst bis meine eigene Existenz in ihren Zweideutigkeiten zu verschwinden drohte. Ja, ich floh dem Chaos der Sprache zwischen den Menschen und allem, von dem ich glaubte, das es mir - und dem ich teuer gewesen war, hinaus, fern aus an einen Ort den ich zuvor nur auf der Karte berührt hatte. Nacht wars, als ich aufsah, sprechen wollte und stumm blieb. Da erspähte ich hinter einer Anhöhe einen Berg und ein Tal und wusste, dass ich da war, obgleich es auch das Tal nebenan hätte sein können und kein besonderes Zeichen mir diese Gewissheit verriet, außer dem unausgesprochenen Wunsch, der Weg möge ein Ende haben. Aus Schutz vor der mangelnden Gnade des Wetters suchte ich eine Höhle auf, dessen Vorbesitzer vermutlich ein simples Tier gewesen war und kroch hinein um die Beine an den ausgekühlten Körper zu ziehen. "Da" hallte mein erster Gedanke noch nach, als reite er auf dem Donnern des entfernt gebliebenen Gewitters. "Da. Da. Da." Nach Monaten der Unruhe und Stunden des Suchens empfing ich voll Dankbarkeit den Schlaf, der über mich kam, um mich aus der Einsamkeit mit meinen Gedanken und Erinnerungen zu befreien.

Re

... am Anfang ist das Wort immer schwer. Jeder Buchstabe wiegt das Gewicht des vorgehenden Schweigens und der Leere. Schlimmer ist es noch, wenn sich kaum ein Punkt auftun will anzuknüpfen. Wie soll man auch anknüpfen an gestaltloses Chaos und schlechte Poesie? Fast vier vertane Monate sind ins Land gegangen, ein Monat erstickender Stille. Wie gern wär ich ein Mensch der seine festen Ziele seit frühester Jugend verfolgt; ein wenig stur, etwas eindimensional, zufrieden. "Gibt es einen Himmel für ungehörte Schreie?", sang einst Tory Amos in den späten Neunzigern. Ich habe ihn nicht gefunden, aber der atemlos aufgekratze Unterton erinnert mich an jene Unausgewogenheit der hinter mir liegenden Zweifel, deren Wiederaufleben ich um jeden Preis vermeiden will. Ich bestreite mein Leben in Fürth für eine Weile, in Regelmäßigkeit, in Arbeit, allein. Nur die wenigen Telefonate halten mich über Wasser. Aber die offensichtliche Oberfläche muss langweilen. Ich verwerfe die Ansätze des Wirklichen. Es ist höchste Zeit für eine Fiktion ...

Freitag, 5. Februar 2010

There must be some way out of here ...

"There must be some way out of here; has been one ev'ry time!"
I repeat it to myself again, but I just can't see the line.
Time is not a healer, time's a changer in slow-dance. For sure
review will show one story; but the meaning is by chance.

"Don't get lost with the driftwood", my
echo coyfully spoke,
"This all will end soon enough and the punchline is mere a joke.
So will you please not rest your head, in lies of dreams and despair,
The brave will fall in dumbness, and only whistlers be crowned
the fair."

All along on this winding road, flee the dancers into the dark,
Stolen faces alternate, on top of reloaned ancient arks.
I'm looking out in the distance, for an untouched flickering light,
But all the signs are sleepy now, an the traces hidden right.

Ein Fluch

Die Stunden des Abends waren längst gekommen. Da saß ein Mann ganz in der Nähe der Tür und hielt ein mattes Glas in dem ein Rest nur schwenkte. Er war allein und sprach doch, als sei er es nicht:
„Du. Wie glaubte ich an Dich in der Jugend. Wie sehnte ich mich nach dem Geruch und den Lippen. Wie trunken ließ mich ein Blick werden, oh und wie gierig trank ich aus deinem Kelch; er wollte nie enden, erinnerst du dich? Du sagtest das, was nicht sein kann mit Süße, dieses „niemals“, dieses „jetzt“ und auch das „immer“ sagtest du oft. Und ja, selbst im Schmerz warst du mir zärtlich und nicht unwillkommen zuweilen … Oh, du Heuchlerin! Heute - ja heute! – erkenne ich aus den Eigenen die Falten auch in deinen Zügen. Wo sind all die verlorenen Jahre die du mit dir nahmst? Kannst du sie noch sehen, die Nächte unter den Sternen, wo wir beide alles aufgaben und Hoffnung waren, gemeinsam und darüber hinaus nicht mehr? Oh, ich weiß, du kannst. Genießt du noch heute die bitteren Tränen auf den Decken und Kissen und die zerredeten Tage. Auch die Dornen sind Teil der Rosen, flüsterst du wie ein Geheimnis? Schweig mir, ich verlange es einmal: Wage es nicht, die Verrücktheit zu benennen, die wie gemeinsam lebten. Wankelmütige Blenderin! Dir zu trauen heißt Wind zu trauen, dass er bleibt. Waren wir aber nicht immer fort, als der eine nach dem anderen fasste. War das Dir nicht höchstes Vergnügen mit mir? Oh, du Grausame! Und wir Sänger preisen noch dein Spiel und schmeicheln nur um es einmal … nur einmal … und verdingen uns so noch als deine Häscher, deine Huren. Zähle mich nicht mehr dazu! Ich verweigere den Dienst an dir, Elende, und wende mich anderen Göttern zu, dunkleren, die deinen Platz fordern. Nicht weiter! Ein Fluch her … verflucht seiest Du … ein Fluch ja, ein Fluch auf die Liebe!“ … … …
Seine Worte verklingen so, wie nur gesagte Worte es tun, wenn ihnen Raum gelassen. Eine Antwort erwarten sie nicht. Er ist noch derselbe und spürt noch immer diesen stummen Hauch, der seine Kehle hinab nach dem Herz greift, wie nur wirksame Gifte es tun. Sieh doch, es ist vergebens, das Streben des Menschen ihrer Herrin zu trotzen. Auch er weiß es und so hebt er das matte Glas zum Mund und leert es ganz.

Mittwoch, 20. Januar 2010

Die Angst vor Veränderungen

Ein Leben kann 'stabil' aussehen oder auf bestimmte Punkte zulaufen, von denen wir selbst nicht ahnen, wie sie genau aussehen. Manchmal macht uns das für eine Zeit lang glücklich, manchmal ist es kaum mehr als ein Absitzen von Zeit mit der geheimen Hoffnung es möge sich etwas ändern. Insgeheim wünscht sich mancher vielleicht weniger allein zu sein, etwas zu erreichen oder auch nur etwas neues zu sehen und lässt sich ablenken vom Alltag und den täglichen Sorgen die sich stets drängender geben als die tiefen Wünsche und Hoffnungen. Warum glaubt man, dass es gut ist, wie es ist und bisher immer war? Ist es Feigheit Dinge nicht verändern zu wollen? Beziehungen und Freundschaften müssen sich anpassen um Schritt halten zu können, im besten Fall werden sie zu seltenen Ruhepolen im Meer der ständig fortschreitenden Zeit. Doch alles verändert sich, immer: das ist Leben. Inseln werden abgetragen, andere bleiben nur geahnt oder gänzlich unentdeckt. Am Ende jedenfalls bleibt nichts, wie es war. Die Kunst dabei ist, nicht nur im Moment zu leben, sondern am Ende der Geschichte mehr richtige als falsche Entscheidungen getroffen zu haben und vielleicht ... nicht ganz allein zu sein.

Montag, 18. Januar 2010

Abendschwelle

An der Abendschwelle treffen sie sich wortlos.
Höheres Gebot zwingt Gehorsam auch von diesen beiden.
Der Tag folgt brav und tritt ab. Ausgedient und Pünktlich.
Die Nacht jedoch ist anderen Gemüts, kaum zeigt das Rot der Freiheit sich
war sie nie fort, hat dösig nur gelauert.
Steigt nun empor, entfaltet den dunklen Mantel, der ihr eigen,
sich den Platz zu nehmen, den sie dem Tag doch nur geliehen.
Nacht, süßeste Nacht. Lächle nun, es ist Zeit.
Am Morgen wirst du trunken sein von all dem Treiben,
Voll doch nicht zufrieden wirst du schleichen, selbstgewollt
dem Frühaufsteher weichen und Katzenhaft dir kleine Wunden lecken.
Bis dahin aber lass es zu, dass wir dein Gast sind, werd du uns Bühne, angeschlagne Königin, nimm uns mit auf deinen Bahnen,
wir woll'n dir folgen und preisen deine Kinder, deine Mienen.