Freitag, 5. Februar 2010

Ein Fluch

Die Stunden des Abends waren längst gekommen. Da saß ein Mann ganz in der Nähe der Tür und hielt ein mattes Glas in dem ein Rest nur schwenkte. Er war allein und sprach doch, als sei er es nicht:
„Du. Wie glaubte ich an Dich in der Jugend. Wie sehnte ich mich nach dem Geruch und den Lippen. Wie trunken ließ mich ein Blick werden, oh und wie gierig trank ich aus deinem Kelch; er wollte nie enden, erinnerst du dich? Du sagtest das, was nicht sein kann mit Süße, dieses „niemals“, dieses „jetzt“ und auch das „immer“ sagtest du oft. Und ja, selbst im Schmerz warst du mir zärtlich und nicht unwillkommen zuweilen … Oh, du Heuchlerin! Heute - ja heute! – erkenne ich aus den Eigenen die Falten auch in deinen Zügen. Wo sind all die verlorenen Jahre die du mit dir nahmst? Kannst du sie noch sehen, die Nächte unter den Sternen, wo wir beide alles aufgaben und Hoffnung waren, gemeinsam und darüber hinaus nicht mehr? Oh, ich weiß, du kannst. Genießt du noch heute die bitteren Tränen auf den Decken und Kissen und die zerredeten Tage. Auch die Dornen sind Teil der Rosen, flüsterst du wie ein Geheimnis? Schweig mir, ich verlange es einmal: Wage es nicht, die Verrücktheit zu benennen, die wie gemeinsam lebten. Wankelmütige Blenderin! Dir zu trauen heißt Wind zu trauen, dass er bleibt. Waren wir aber nicht immer fort, als der eine nach dem anderen fasste. War das Dir nicht höchstes Vergnügen mit mir? Oh, du Grausame! Und wir Sänger preisen noch dein Spiel und schmeicheln nur um es einmal … nur einmal … und verdingen uns so noch als deine Häscher, deine Huren. Zähle mich nicht mehr dazu! Ich verweigere den Dienst an dir, Elende, und wende mich anderen Göttern zu, dunkleren, die deinen Platz fordern. Nicht weiter! Ein Fluch her … verflucht seiest Du … ein Fluch ja, ein Fluch auf die Liebe!“ … … …
Seine Worte verklingen so, wie nur gesagte Worte es tun, wenn ihnen Raum gelassen. Eine Antwort erwarten sie nicht. Er ist noch derselbe und spürt noch immer diesen stummen Hauch, der seine Kehle hinab nach dem Herz greift, wie nur wirksame Gifte es tun. Sieh doch, es ist vergebens, das Streben des Menschen ihrer Herrin zu trotzen. Auch er weiß es und so hebt er das matte Glas zum Mund und leert es ganz.

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