Der Hartz-IV-Empfänger Alex W. stach in einem Dresdner Gerichtssaal auf die Ägypterin Marwa al-Schirbini ein, tötete sie und verletzte den Ehemann schwer; nun steht er vor Gericht. Es ist ein Fall unter vielen an deutschen Gerichten. Was empören sollte ist die offenbare Unfähigkeit der Gerichtsdiener die Tat zu verhindern, mangelnde Sicherheitskontrollen die die Tatwaffe - ein Küchenmesser - übersahen oder der Polizist, welcher noch auf den schwerverletzten Ehemann der Ermordeten schoss. Leider treten diese Details hinter die erwartungsgemäße politische Aufladung des Falls zurück. Zwar geschah der Mord mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Ausländerfeindlichkeit, doch es entbehrt jeder Pietät vor dem Einzelschicksal Angeklagten und Opfer zu Symbolfiguren für Völkerbeziehungen oder gesellschaftliche Trends zu stilisieren. Doch Medien im In- und Ausland und ihre Kommentare tun genau das, missbrauchen den Fall als Diskurspunkt über Islamophobie und Kulturschranken. Nur eins tritt dabei deutlich zwischen den Zeilen hervor, nämlich das noch immer gestörte Verhältnis hierzulande zu Migration und Fremdenhass. Alles scheint plötzlich wieder präsent: Ehrenmorde, Mohammed Karikaturen, Synagogenbrände, der 11. September, Holocaust. Der verweigernde Unmut der "Nachgeborenen" trifft auf international erinnerte Schuld des "Volks der Täter". vor dem Hintergrund einer strauchelnder Integrationspolitik. Untaten gegen Untaten aufzurechnen ist natürlich von absurder Unverhältnismäßigkeit und entbehrt jedem Verständnis für die tatsächlichen geschichtlichen wie psychologischen Vorgänge. Schlimmer noch vermischt es zu differenzierende Radikalismen und verhindert in der Dämonisierung Möglichkeiten der konstruktiven Entgegnung. Es wäre zu wünschen, wenn das bestehende Medieninteresse in einer öffentlichen Aktualisierung des Kulturdiskurses in Deutschland münden würde, oder wahlweise so schnell vergeht, wie es aufgebauscht wurde. Das Alex W. einem fairen Gerichtsverfahren ausgesetzt und mit hoher Wahrscheinlichkeit für seine Tat vor dem Rechtsstaat entsprechend Bestrafung findet wird, versteht sich dabei von selbst.
Dienstag, 3. November 2009
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