Donnerstag, 1. Januar 2009

Ein Vampir hat es heute schon schwer

Schon in der Romantik vermischten sich in der Gestalt des Vampirs Phantasien schwermütiger Dichter mit den Resten abergläubischer Volksängste und lokalem Sagentum. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts prägten Hollywood und Bella Lugosi den Glamour von weißer Schminke und schwarzem Cape. Hernach war es insbesondere die Romanautorin Anne Rice, welche durch ihre Vampirsagen in Gestalt des blonden Lestat die Verführungskünste im antiquierten Rüschenhemd unterstrich, während in Gothic Kreisen das Idealbild Vampir rebellische Lack und Lederblüten trieb. Insbesondere für die Erotikliteratur waren die Vorstellungen von penetrierendem Biss und düster-magischer Dominanz durchaus fruchtbar. In den 90er Jahren dann, fing das Rollenspiel "Vampire: the Masquerade" jenes Vampirbild ein und konserviert es noch immer. Heute, im 21. Jahrhundert wären die zahlreichen noch die überzeichnete, sonnenbrillentragende Actiongestalt eines Blade zu nennen, nebst pubertären Highschoolphantasien alla Buffy & Angel , welche Begannen neue Genrebereiche zu erschließen. Das Nachfolgerrollenspiel von White Wolf, "Vampire: Requiem", trug dieser Entwicklung Rechnung und versuchte sich wieder im Horrorgenre zu verankern, fort von romantisch seufzenden Jünglingen und Teeniegekreische hin zum erwachsenen und gruseligen Kampf um die menschliche Seele.
Nach all diesen Entwicklungen scheint der Vampir gerade in der modernen Belletristik einen neuen Nischenplatz gefunden zu haben, wo seine Interpretationen, ärgerlicherweise und in Ignoranz solch großartiger Vorlagen wie "Bram Stroker, Dracula", vor keinem Klischee halt machen. Die jungen Autoren verschlimmbessern den modernen Mythos, wo sie nur können. Angefangen bei der Unart plumper Wortspiele im Titel (z.B. "Stephanie Mayer: Bis(s) zum Morgengrauen") , über den Topos des "guten Vampirs, welcher nur von Tieren trinkt", hin zum unermüdlich beschworenen Konflikt zwischen Blutsaugern und Werwölfen. Deutlich auch ist die Ausrichtung auf eine weibliche Zielleserschaft, insbesondere in der Kombination "jugendliche, unscheinbare, weibliche Sterbliche trifft auf meterosexuelle, dunkle Ritterfigur". Es scheint eine Marktlücke gefunden; der Ausschlachtungsprozess ist im vollen Gange. Einzig der auf den ersten Blick ennervierendste neue Roman dieser Sparte (Mary Jane Davidson: Weiblich, ledig, untot") vermag, gelesen als selbstbewußte Parodie auf den wuchernden "Vampirkitsch", dann doch ein Schmunzeln zu entlocken.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen