Donnerstag, 5. März 2009

Eine Verteidigung des Buches gegen seine Neider

Das Buch kann auf eine beeindruckende Erfolgsgeschichte zurückschauen. Seine frühe Vorform ägyptischer Papyrusrollen wurde im antiken Rom durch Mittelheftung verbessert und im 14. Jahrhundert mit dem Wechsel von Papyrus zum Papier und dem gutenbergschen Reproduktionsverfahren perfektioniert. Welchen Lesefreund ergreift nicht eine liebevolle Stimmung, wenn er an die Wiegendrucke des 15. Jahrhunderts denkt, oder an die eigene Initiation in diese wundervolle Nebenwelt des Lesens mit Bilderbüchern und Jugendromanen? In Buchläden, Lesezirkeln und auf Messen finden sich täglich Liebhaber und Interessierte, die das Buch in seinem eleganten Design schätzen und nach seinem unübertroffenen geistigen Nährwert hungern. Und doch hat der Literaturbetrieb aus seinem Gegenstand mehr gemacht als einen Verbund von 49 Seiten. Gérard Genette hat 1987 in seinen "Seuils" all die kleinen Besonderheiten und Beiwerke des Buches beschrieben und auf ihre Wichtigkeit für den Lesevorgang hingewiesen. Es sind Konventionen - kulturelle Codes - die Aufmerksamkeit wecken, richtiges Lesen anleiten und untrennbar zum Gesamteindruck Buch dazugehören, ohne jedoch dessen geniale Schlichtheit zu beeinträchtigen.
Doch der technikabhängige Mensch des 21. Jahrhunderts glaubt seine vielleicht größte Erfindung revolutionieren zu können. Er schafft einen "
E-Book Reader", einen kleinen Kasten ohne jeden Charme und rühmt dessen umfangreiche 'Speicherkapazität', als sei Größe das einzige, was zählt. Doch dessen haptische Eigenschaften enttäuschen. Seine Nachahmung des Seitenumblätterns wirkt wie eine schlechte Raubkopie. 'Elektronische Tinte' soll die Augen schonen, doch sie kann nicht über das Fehlen von echtem Papier hinwegtäuschen, was sich unnachahmlich zwischen Leserfinger schmeichelt. Zeiteffizientes Blättern wird zu zeitintensivem 'Scrollen', geliebte Leseecken und Flecken lässt es erst gar nicht zu und will ich einen Text verleihen, geht gleich die ganze Bibliothek mit. Verschlimmbesserungen, allesamt. Einen Markt wird dieses Produkt trotzdem finden. Auch ich bin im Digitalzeitalter aufgewachsen und mache so einige Fortschrittswirren mit, von Kassette zu CD zu Mp3 zu Flac, um nur ein Beispiel zu nennen. Auch muss ich zugeben, dass der elektronische Text noch in den Kinderschuhen steckt und eingestehen, dass ja auch dieser Text ein elektronischer ist. Auch mag für reisende Kreative, Autoren und Professoren eine Digitale Bibliothek zum Nachschlagen ganz nützlich sein. Doch abends liegt auf meinem Nachttisch noch das wirkliche Original, und gemeinsam verweigern wir uns dem vermeintlichen Fortschritt ... zumindest in diesem Bereich. Man muss ja nicht alles Digitalisieren. Digitale Zuneigung? Digitales Glück? Digitales Buch? Nein, Danke.

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