Donnerstag, 31. Dezember 2009

Über die Dämonie der Liebe ...

Ist es in der Liebe nicht ganz ähnlich?
In einer käuflichen Welt scheint den eigenen Gefühlen etwas tiefgründiges anzuhaften. Liebe als Königin aller Gefühle im Versprechen auf Glück, gilt als höchstes Gut, ist das gewinnträchtigste Werbemotiv. Nur in der Liebe finden viele Menschen noch die ersehnte Intensität, doch die meisten werfen enttäuscht das Handtuch, sobald der Rausch der ersten Stunden nachlässt. Einerseits sehnen wir uns nach Geborgenheit eines gleichberechtigten Anderen, andererseits verlangen wir die erotische Aufregung des ersten Kennenlernens. Fast immer steht das "Ich" im Vordergrund, geht es um die eigenen Bedürfnisse. Doch wer den Mensch als Maschine denkt, hat es noch vergleichsweise einfach im Umgang mit dem schlagenden Muskelstück in seiner Brust. Denn ist man so töricht sich darauf einzulassen, daran zu glauben, zu lieben und danach zu suchen, unterwirft man sich einem "Anderen im eigenen Ich". Schon Goethe wusste eindrucksvolle Bilder zu finden für dieses "Lebendige (...) dass nach Fammentod sich sehnet." So wird Liebe zur gewaltigen Triebkraft des Menschen, mühelos fähig das Eigene für das Andere, eine "fremde Fühlung" zu riskieren, bedeutete es selbst den eigenen Untergang - das Symbol des an der Kerze verbrennenden Schmetterlings. Für Goethe bedeutete dies trotz langer und glücklicher Ehe intensive Liebesgedichte zur verheirateten Marianne von Willemer zu schreiben, die heute im "West-Östlicher Diwan" als lyrisches Meisterwerk gelten.
Auch Shakespeare wusste darum, standen doch Romeo und Julia - mit ihrer Liebe über alle Schranken und alle Vernunft hinweg - Pate für die Liebe der Moderne. Ist es für Romantiker nicht immer die 'wahre Liebe' zu Beginn? Ist dieser Glaube nicht fast Notwendig um die eigenen ersten Schritte zu rechtfertigen, trotz realerer Situationen und Beweggründe, Einsamkeiten, Schwächen und Sehnsüchten? Muss der Einzelne sich nicht auf den Wahn einlassen, will er auch teilhaben am Glück der Verliebten, will sein Herz schlagen hören, will sich berauschen an Liedern über jenes Gefühl und nachts mit Gänsehaut wach liegen und den Mond anschauen, wie in den Filmen? Was um den Preis der Liebe zu riskieren, was auf dem Weg zur vermeintlichen 'Wahrhaftigkeit' niederzutreten ist, bleibt letztlich jedem selbst überlassen. Der Tod der großen Liebenden in Shakespeares Tragödie kann auch erklärend gelesen werden: die Wahrhaftigkeit der Liebe ist ein endliches Risiko.

(Leben, Teil 2 von 2)

1 Kommentar:

  1. Selige Sehnsucht

    Sagt es niemand, nur den Weisen,
    Weil die Menge gleich verhöhnet:
    Das Lebendige will ich preisen,
    Das nach Flammentod sich sehnet.

    In der Liebesnächte Kühlung,
    Die dich zeugte, wo du zeugtest,
    Überfällt dich fremde Fühlung,
    Wenn die stille Kerze leuchtet.

    Nicht mehr bleibest du umfangen
    In der Finsternis Beschattung,
    Und dich reißet neu Verlangen
    Auf zu höherer Begattung.

    Keine Ferne macht dich schwierig,
    Kommst geflogen und gebannt,
    Und zuletzt, des Lichts begierig,
    Bist du Schmetterling verbrannt.

    Und so lang du das nicht hast,
    Dieses: Stirb und werde!
    Bist du nur ein trüber Gast
    Auf der dunklen Erde.

    Morganni Nameh. Buch des Sängers. (West-Östlicher Diwan, Goethe)

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